Wenn ein Kindlein ein Kind bekommt Kapitel 4

Neugeborenes Kind

Eine Welle der Ablehnung schlug Marie entgegen, als sie mit einem Lehrabschluss zur Schneiderin, einem  kleinen Koffer mit ihren paar Habseligkeiten, einem dünnen Ringlein an der rechten Hand und ihrem dicken Bauch in der kleinen Stube, im Elternhaus von Mandi zum ersten Mal der Mutter gegenüber stand. 

Ah, die Stadtnarin.“ Diese 3 Worte, der abschätzige Blick der Mutter und das was 4 Wochen später geschah, sollte für immer das Verhältnis zwischen den beiden Frauen besiegeln was man als „die Hölle auf Erden“ bezeichnen könnte.

In der Nacht zum 24. April kam der Winter in voller Härte zurück. Es schneite ohne Unterlass. In der nächsten Nacht setzten die Wehen bei Marie ein. Mandi packte seine Frau in Decken und setzte sie auf den Schlitten, den er mit größter Eile zuvor beim Nachbar geholt hatte. Er rannte wie ein Irrer mit der schreienden Marie durch die Nacht. Der Wind peitsche ihm die Eiskristalle ins Gesicht, seine Lungen brannten und doch trieb ihn die Angst um seine Frau und das ungeborgene Kindlein weiter, als wäre der Teufel hinter ihm her.  Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten Sie das nächst größere Dorf mit einer Hauptstrasse, wo es ihm gelang ein Auto zu stoppen, um die mittlerweile ohnmächtige Marie in das 20 km entfernte Krankenhaus zu bringen. 

Marie gebar einen Sohn. Ein Engelchen, mit tief schwarzen Haar, welches in dieser kalten, oft so grausamen Wirklichkeit nicht bleiben wollte, nicht bleiben konnte. 

Nur wenige Minuten überließen die geistlichen Schwestern der erschöpften jungen Mutter, die selber noch ein Kindlein war, ihr Söhnchen. Sie sollte ihn nie wieder sehen, sich nicht verabschieden können und ihn nicht beerdigen dürfen. 

Mandi hielt seinen Sohn 3 Tage nach der Geburt im Arm. Nie mehr in seinem Leben würde er dieses engelsgleiche, wachsbleiche Gesichtchen vergessen und dann verschwand sein Erstgeborener auch aus seinem Leben. 

Es war damals nicht üblich, ein Kindlein zu beerdigen, was den Weg ins Leben nicht gehen konnte, nicht gehen wollte. 

Niemand kümmerte sich um das unermessliche Leid der jungen Marie. Sie war 15 einhalb. Ein zutiefst verwundetes Seelchen, das in ihrem jungen Leben bisher nur sehr wenig Gutes erlebt hatte. 

Damals gab es keine psychologische  Betreuung, niemand der sich darum kümmerte, wie es den mit solchen Erlebnissen weitergehen konnte. Niemand der sie in die Arme nahm und ihnen Trost und Hoffnung spendete. Kein Platz, den sie besuchen konnten um um ihren Sohn zu trauen. Zu allem Unglück war der gute, alte Toni – Marie`s Meister, der Beschützer ihrer jungen Liebe Anfang April an einer Lungenentzündung gestorben. Es gab nicht einen einzigen Menschen in Maries und Mandis Umfeld, die nicht erleichtert waren, dass sie nicht noch ein Mäulchen zu stopfen hatten, in einem Häuschen wo schon für die die da waren, zu wenig Platz war, in einer Zeit, die alles andere als gut war. 

Das ließ man den Beiden ganz unverblümt wissen. 

Und dann geschah, was nicht geschehen hätte dürfen. 

„Sei froh, hättest es ohnehin nicht ernähren können, so wie du Stoatnarin beinaund bist“ 

Diese folgenschweren Worte schleuderte Tini ihrer Schwiegertochter entgegen als Mandi Marie kreidebleich und abgemagert nach den traumatischen Tagen im Krankenhaus in die Stube schob. 

Fassungslos, wortlos, mit hasserfüllten Blick ging Marie an ihrer Schwiegermutter vorbei. Von da an sprach sie sie nie mehr an, nie mehr richtete sie das Wort an Sie. Wo immer sie konnte, schimpfte oder beklagte Marie sich bei Mandi über die Schwiegermutter. Fortan nannte Sie sie nur mehr die Oidi (die Alte).