Schreiben ist Pflaster für die Seele, 1. Kapitel

Ich möchte Ihnen die Geschichte eines jungen Mädchens – ihr Name ist Ella, erzählen. Von ihrem ersten „Erwachsenenbuch“ und der Begegnung mit Anna. Von ihrer Freundin Lila und ihrem treuen Begleiter Jesus. Vom großen Kummer den sie mit ihrer Mama hat und wie gerade dieser Schmerz sie zum Schreiben bringt. Davon was scheinbar wahr und wirklich ist, von der Kraft der Gedanken und davon wie Herzenswünsche sich erfüllen, auch wenn es gelegentlich Jahrzehnte dauert.

 

Tauchen Sie mit mir ein in eine Zeit vor über 45 Jahren und lassen wir Ella nun erzählen.


Es ist ein heller Frühlingsmorgen, 3 Finken unterhalten sich angeregt in mitten der Blütenpracht des Birnbaum`s vor unserer Schlafstube. Ich wage es nicht mich zu rühren. Meine kleine Schwester Gigi hat ein Bein über meine Beine gelegt und unser Bruder Hesi liegt quer am oberen Bettrand. Oma und Opa, die auch in diesem großen Bett schlafen, sind schon aufgestanden. Sie machen wie jeden Morgen Rahmsuppe mit Brot, und für den Kleinen ein Milchflascherl. Ich kann die warme Milch schon riechen und ein Gefühl von Geborgenheit lässt mich genüsslich meinen Gedanken nachhängen. Das Gespräch von gestern Abend zwischen Mama und Opa fällt mir wieder ein. Viel haben sich die beiden nicht zu sagen, aber manchmal plaudern sie über das jeweilige Buch, welches einer von den Beiden gerade liest. In solch seltenen Momenten verstecke ich mich, hinterm Vorhang am breiten Blumenfenster. Mama darf mich da nicht entdecken, dann ist es vorbei mit der aufregenden Erzählstunde. Schon des öfteren hat sie mich an den Ohren hervorgezogen und ins Bett geschickt. Nicht so gestern Abend. Opa hat gerade Anna Karenina gelesen und übergibt nun das Buch meiner Mutter. Opa ein wortkarger eher unzugänglicher Mann, erzählt Mama, dass er da, wo Anna`s Geschichte spielt, in russischer Gefangenschaft als Übersetzer war. Er erzählt ihr von einer Märchenstadt im Norden, mit Palästen aus funkelnden Gold, Kanälen und Wasserstraßen und von einem Bernsteinzimmer. Es ist das Geschenk eines preußischen Königs an den russischen Zaren. 200 Jahre später haben es die deutschen Besatzer geraubt und seit 1945 ist es spurlos verschwunden. Dann erzählt Opa meiner Mama von dieser wunderschönen jungen Frau, die verheiratet ist und sich in einen anderen Mann verliebt. Mein junges Herz klopft vor Aufregung. So mystisch, gefährlich aber auch romantisch stelle ich mir die erzählten Szenen vor. Ich kann kaum einschlafen. Anna, das geraubte Bernsteinzimmer, Zaren und Könige wabern durch meine Fantasie. Ich muss dieses Buch lesen. Ich muss wissen, was mit Anna Karenina passierte…….

Lassen wir nächste Woche Ella weiter erzählen. Bis dahin wünschen wir – also wir alle in dieser Geschichte, dass Sie eine gute Zeit haben und dass es Ihnen gut ergeht.